Massen vor den Schaufenstern und Rollläden, aufgewühlt vom Wunsch nach einem riesigen Fernseher, dem neuesten Elektroschrott, dem verdammten Schnäppchen – gerade billig genug, damit sich noch jede/r Sozialhilfe-EmpfängerIn den Abfall leisten kann. Zwischen uns und der Welt, zwischen uns und der Realität, der realen Erkenntnis, hängt ein Schleier, ein Dunst. Die Ästhetik der Ware, der blinkende, bunte Terror der Werbeindustrie, einer ganzen Industrie von Arschlöchern, die ihr Geld damit verdienen unsere niedersten Triebe, unser affekthaftes Menschsein in die vom Kapital gewollten Bahnen zu lenken – frei nach Sigmund Freuds Neffen, Edward Bernays. Die Form des Ichs wird bestimmt durch die Ware, durch die Art zu konsumieren. Kauf das Zeug und sei, oder sei nicht. Der Mensch ist ein „gesellschaftliches Wesen“, doch was für ein Wesen ist er, wenn sein gesellschaftlicher Stand abhängt von der Dicke des Geldbeutels, der Größe des Autos und der Fülle an Macht, die er akkumuliert?
Es ist wieder „Black Friday“. Ein verstörendes Spektakel, welches sich dank globalen Kapitals und eines alles durchdringenden Weltmarktes bereits in weite Teile der deindustrialisierten Konsumzentren ausbreitet. Wir sind Teil dieses Spektakels, egal ob wir uns die Ärsche abfrieren beim Warten vor den Läden, oder ob wir uns auf Youtube mit den neuesten und krassesten Black Friday Prügel-Videos bespaßen. Wo die Herrschenden ihren Reichtum und ihre Macht konzentrieren, dort leben auch wir ausgeschlossen von Macht und Reichtum. Reale Macht zu haben gaukeln uns zwar die AnhängerInnen des nationalistischen Standortwettbewerbs vor, doch ihre Hetze geht einher mit der autoritären Restauration des neoliberalen Kapitalismus. Die NationalistInnen verteidigen was ihnen selbst nicht gehört vor dem Zugriff derer, die es brauchen. Sie halten gewaltsam eine Ordnung aufrecht, die nur noch durch künstliche Beatmungsmaßnahmen überlebensfähig ist. Es braucht einen Plan mit dem wir uns befähigen, die Maßnahmen zu beenden, mit denen der Kapitalismus sein Fortbestehen sichern will.
Ein Plan des Kapitals, um weiter zu überleben ist der, welchen auch Amazon als seine Zukunftsvision auserkoren hat: Arbeit 4.0, Digitalisierung und Flexibilisierung, vollautomatisierte globale Handelsnetze, den totalen Zugriff, die Einverleibung von Arbeitskraft in ihr durch Algorithmen und Fragmentierung beherrschtes globales Versand- und Handelsnetzwerk, das durch flexible Arbeitsbedingungen, nationalistische Standortlogik und der Drohung, ins Surplus- Proletariat abzurutschen, jede Arbeitskraft gefügig und austauschbar macht. Der digitale Kapitalismus fordert die totale Inwertsetzung menschlicher Bedürfnisse. Um dies zu erreichen monopolisiert er die modernen Kommunikationswege des Internets und forscht jegliche soziale Interaktion aus, damit das Werbeangebot entsprechend individualisiert werden kann. Wir werden durch das definiert was wir konsumieren und konsumieren könnten. Das Kapital prägt unsere Wahrnehmung der Welt, indem es uns zu Wesen macht die 24/7 auf den Bildschirm starren und so in eine Welt hineingezogen werden, die uns gläsern macht, uns durchleuchtet, in der wir die permanente Ideologie und Propaganda der Public Relations in uns aufsaugen. Weil wir uns ständig in dieser Scheinrealität bewegen, wird aus dieser schleierhaften Verblendung zunehmend eine dauerhafte Wahrnehmungsstörung, welcher die ganze Gesellschaft unterliegt.
Es gilt Situationen zu schaffen in welchen wir mit der Logik der Verblendung brechen. Es braucht Momente der Desertion aus dieser Scheinwelt, die neue Optionen eines gemeinsamen und solidarischen Miteinanders sichtbar machen. Wenn die Beschäftigten bei Amazon streiken und sich selbst dem Zugriff der Maschine bzw. der eigenen Maschinenwerdung und der Fragmentierung entziehen und diejenigen, welche zu KonsumentInnen degradiert werden die Logistik des Konzerns blockieren und damit seine Zukunftsvision delegitimieren, indem diese konkret bekämpft wird, wie bei Make Amazon Pay, dann sind das genau diese Situationen in denen wir wieder zu leben anfangen. Es sind Erfahrungen von Autonomie, Solidarität und Defragmentierung, auf welche eine reale Gegenmacht aufbaut. Es muss unser Ziel sein unsere Leben zurückzugewinnen, viel mehr noch, eine andere Art zu leben zu entwickeln.
Mit jeder grundlegenden Veränderung im Produktionsverhältnis, mit jedem neuen Produktionsverhältnis, ist es dem Kapital eine Notwendigkeit die notwendigen Arbeitskräfte für dieses zu domestizieren. Es wird versucht, die neue Arbeits- und Lebensrealität des digitalen Kapitalismus durch autoritäre Maßnahmen wie der Gewerkschaftsbekämpfung, durch flexibilisierte und individualisierte Lebens- und Arbeitsrhythmen, schlussendlich durch ein verschärftes Unterdrückungs-, Ausbeutungs-, und Zwangsverhältnis uns aufzuzwingen. Die Kämpfe die seit Jahren von den Amazon-Beschäftigten, den Deliveroo- und Foodora-FahrerInnen und vielen anderen ausgefochten werden, sind Vorläufer dessen, was auf eine ArbeiterInnenklasse zukommt welche sich mehr und mehr dazu genötigt sieht sich gegen die Zukunftsvision von Amazon, Deliveroo, Foodora, Facebook, Google et cetera zu wehren, wenn sie nicht ihre totale Unterwerfung will unter ein Regime, welches jede tatsächliche lebendige Regung vermaßt, verwertet und so steuerbar zu Kapital werden lässt.
Mehr denn je sind die Beschäftigten der neuen Sektoren auf die Solidarität von Außen angewiesen, wenn ihre Arbeitskämpfe Erfolg haben sollen. Es ist unsere Aufgabe, der Zukunftsvision von Amazon und Co. unsere eigenen Perspektive entgegenzustellen. Wir müssen uns dem technokratischen Zugriff entziehen, uns organisieren, solidarische Verbindungen schaffen welche übergreifend Fabriken, Stadtteile und Logistikzentren zueinander in Beziehung setzen und mit der Logik des nationalistischen Standortwettbewerbs brechen. Block Black Friday ist erst der Anfang.
Mehr zu Make Amazon Pay auf: https://makeamazonpay.org/
Text des …ums Ganze Bündnisses zur Verbindung von Antifaschismus und den Kämpfen im Logistiksektor: https://umsganze.org/prime-life-now/