Am 16.03.2019 findet in Nürnberg im Z-Bau eine Kollektiv-Messe statt. Dort stellen verschiedene Kollektive ihre Arbeit vor, vernetzen sich untereinander und werben um neue Mitglieder. Wir haben mit den VeranstalterInnen des Ganzen gesprochen.
Erste Frage: Was habt ihr für den 16. März alles geplant? Wer kommt da so zusammen?
Die Überschrift unserer Kollektivmesse lautet: Eine andere Gesellschaft ist möglich.
Wir haben Projekte aus den verschiedensten Bereichen gesellschaftlichen Lebens eingeladen, die in ihrer Gesamtheit aufzeigen, dass der Status Quo nicht alternativlos sein muss. Mit Status Quo meinen wir die kapitalistische Gesellschaft, welche uns von Kindesbeinen an Rollenbilder, Leistung und Konkurrenz als Rüstzeug mit auf den Weg gibt. Diese Mechanismen durchdringen alle Bereiche der Gesellschaft: Wohnen, Bildung, Arbeit, Zusammenleben, usw. Es wird nach Wertigkeit aussortiert und ausgebeutet.
Wir denken, dass wir das nicht einfach hinnehmen sollten und versuchen mit dieser Messe aufzuzeigen, dass dort wo Menschen sich frei von diesen Mustern bewegen möchten und organisieren, sich eine bessere Welt für Alle nicht nur zeichnen, sondern auch leben lässt.
Genau so haben wir auch eingeladen. Verschiedene Projekte, aus verschiedenen Bereichen, stellen sich bei uns an diesem Tag durch Infostände, Vorträge und Workshops vor. Ganz nach dem Motto: Der Kapitalismus stellt uns viele Frage, wir finden gemeinsam viele Antworten.
Vom Café- und Kneipenkollektiv, über das Mietshaussyndikat, bis hin zum Medien- und Getränkekollektiv. Natürlich sei hinzugefügt, dass wir nach der Messe noch eine Party veranstalten, welche uns bei der Finanzierung dieser Messe helfen soll. Sollten wir Gewinn mit dieser Party machen, möchten wir diesen unter allen Beteiligten gleichermaßen aufteilen. Der Messeeintritt an sich ist jedoch kostenlos.
Was versteht ihr unter Kollektivismus? Warum findet ihr kollektive Organisationsformen so interessant?
Für uns bedeutet es in erster Linie eine Art der Organisierung, welche hierarchiefrei stattfindet und auf Aushandlung und Konsens beruht. Sie steht somit ganz klar kapitalistischen Organisierungsformen gegenüber und ermöglicht Prozesse, bei denen Allen eine Teilnahme, sowie das eigene Wiederfinden in der Entscheidung selbst ermöglicht wird. Diskussionen und Auseinandersetzungen, welche auf Augenhöhe passieren, halten wir für das Mittel der Wahl, um uns gemeinsam mit dem Hier und Jetzt zu beschäftigen und zusammen Wege aus der Krise zu finden. Für uns stehen kollektive Organisationsformen, somit ganz klar konträr zur gesellschaftlichen Vereinzelung, welche einer Auseinandersetzung mit den bestehen Verhältnissen oft im Wege steht.
Ok, nun eine Frage zu euch. Wer seid ihr eigentlich? Seid ihr selbst auch so ein Kollektiv?
Wir sind das Arsch& Friedrich Kneipenkollektiv aus der Nürnberger Südstadt. Seit 2015 sind wir kollektiv organisiert. An sich versuchen wir ein Raum für Alle zu sein. Ein Ort an dem der Inhalt des Geldbeutels, Herkunft, Geschlecht und sexuelle Orientierung keine Rolle spielen soll. Ein Ort, der im besten Fall auch eine Schnittstelle vieler Menschen darstellt. Wir laden ein, auch als Gast unsere Kneipe mitzugestalten, finden es aber auch okay, wenn Menschen einfach nur Lust auf Flaschenbier und Tischfußball haben.
Wie arbeitet ihr zusammen und warum?
Das A&F läuft offiziell als GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts). Somit stehen zwei unserer Kollektivmitglieder in rechtlicher Hinsicht in einer besonderen Verantwortung, da sie die Kneipe offiziell leiten, den Gewinn einfahren und sich rechtlich verantworten müssen, sollte dies notwendig sein. Da es bei uns keine Hierarchien gibt und somit auch niemanden, der mehr oder weniger Geld erhält oder mehr oder weniger Mitspracherecht hat, versuchen wir dieses Verantwortungsgefälle abzubauen. Sensibilität für den Umstand an sich, aber auch gleichmäßige Verteilung von Aufgaben und Ansprechbarkeiten, halten wir für wichtig.
Unser Kollektiv organisiert sich über zweiwöchentlich stattfindende Treffen. Hier wird in erster Linie alles rund um den Kneipenbetrieb und darüber hinaus besprochen und diskutiert. Das Kollektiv selbst ist in verschiedene Arbeitskreise eingeteilt, welche in kleineren Gruppen zu verschiedenen Themen (Programm, Politik, Technik, etc.) Vorarbeit leisten und diese dann beim Gesamtplenum zur Diskussion bringen. Diese Arbeitskreise sind offen und sollen so den externen Zugang zu uns und unseren Projekten gewährleisten. Zusätzlich hat jedes Kollektivmitglied einen eigenen Aufgabenbereich. Dieser reicht von Hausmeisterei, über Finanzen bis hin zur Getränkebestellung. Wir erhoffen uns damit eine gerechte Aufteilung der zur leistenden Arbeit. Hierbei soll es im besten Fall zu einer gesunden Fluktuation kommen, welche gewährleistet, dass Wissenshierarchien innerhalb des Kollektivs abgebaut werden, oder erst gar nicht entstehen. Die Arbeit im Arsch & Friedrich ist zunächst einmal ehrenamtlich. Wir bezahlen uns nur zum Thekendienst aus. Hier gibt es keine Unterschiede in der Bezahlung, sondern einen festen Stundenlohn.
Jetzt gibt es ja auch viel Kritik an den- böse gesagt- Wohlfühl- Kollektiven, die keine langfristige ökonomische Überlebenschance im Kapitalismus hätten. Viele ehemalige Kollektivbetriebe aus der Alternativbewegung in den 1980er Jahren sind letztendlich nichts anderes geworden als ganz normale Unternehmen. Wie steht ihr dazu? Wollt ihr das verhindern oder findet ihr das ok so?
Wir als Kneipenkollektiv sind uns bewusst, dass wir mit unserer Struktur im Kapitalismus keine finanziellen Sicherheiten schaffen können für unsere Kollektivmitglieder. Unsere Motivation ist jedoch auch nicht, dass wir von dieser Arbeit leben können, sondern eher die Schaffung eines Freiraums, der durch seine Art der Organisierung im besten Fall aufzeigt, dass kapitalistische Gesellschaftsformen sowieso aufgebrochen gehören. Der Stundenlohn der hierbei auf uns abfällt, ist eher ein besseres Taschengeld, für eine Arbeit die wir in sozialer und politischer Hinsicht für wichtig erachten.
Die Kritik an den sogenannten „Wohlfühl-Kollektiven“ finden wir interessant, da wir an dieser Begrifflichkeit erst einmal nichts Negatives entdecken können. Wir finden es gut, wenn wir für uns und für andere einen Raum haben, indem man sich wohlfühlen kann. Gerade bei Auseinandersetzungen die an die Substanz gehen und weh tun könnten, sollte ein Rahmen vorhanden sein, der es erlaubt, dass sich jede Person gleichermaßen äußern kann. Sollte dieses Wohlfühlen jedoch ein stetiges sich selbst auf die Schulter klopfen bedeuten, und somit Auseinandersetzungen und Reflektion verhindern, dann ist das mit Sicherheit kein Mechanismus, den diese „Wohlfühl-Kollektive“ für sich gepachtet haben.
Was sagt ihr zu dem Vorwurf, in Kollektivbetrieben würden sich Leute hierarchiefrei selbst ausbeuten anstatt von einem Chef ausgebeutet zu werden?
In gewisser Hinsicht ist Lohnabhängigkeit, egal wem man Rede und Antwort schuldig ist, immer kapitalistische Ausbeutung. Es ist selbstverständlich möglich diese, durch die Arbeit in Kollektivbetrieben, für sich selbst und andere zu verschönern und sich in gewisser Hinsicht von etwaigen Unannehmlichkeiten zu befreien. Allerdings ist jeder Betrieb, jedes Unternehmen, auch jede Kneipe kapitalistischen Zwängen unterworfen. Wir merken das sehr deutlich in unserer eigenen Preisgestaltung. Während um uns herum die Kosten nach oben schnellen (Miete, Strom, Gema, Getränkepreise) möchten wir unser Angebot bezahlbar für Alle halten. Um das zu gewährleisten, müssen anderswo Einsparungen getroffen werden. Auch bei uns selbst. Eine andere Handhabung würde wiederum einer Kneipe für Alle widersprechen. Dieser Zwickmühle sind wir uns bewusst, denken allerdings auch, dass uns durch die kollektive Organisierung Handlungsfelder eröffnet werden, welche in einem normalen Arbeitsverhältnis nicht möglich wären.
Kollektivmesse Nürnberg
16.3. Z-Bau
Mehr dazu erfahrt ihr hier: https://kollektivmesse.wordpress.com/