Ein Gastbeitrag der organisierten autonomie
Warum die Kampagne „N-Ergie und Co zur Kasse bitten!“
Alles wird teurer: steigende Mieten, Lebensmittelpreise, Inflation und dann auch noch die Energiepreise. Das Leben wird für die Mehrheit der Menschen immer teurer während die Einkommen stagnieren und wir somit immer weniger in der Tasche haben. Selbst kleinere Lohnerhöhungen müssen mühsam erkämpft werden und werden von der Inflation und den Preissteigerungen sofort aufgefressen. Jedoch wird das von vielen Menschen schicksalsgleich hingenommen. Es herrscht kollektive Ratlosigkeit oder die Teuerungen werden nicht thematisiert weil häufig eine Scham dahinter steht, man sei selbst Schuld, habe individuell versagt, wenn man diese Steigerungen nicht mitgehen kann. Hinzu kommt seit Kriegsausbruch, dass die Preissteigerungen als unbeeinflussbare Verkettung von Ereignissen dargestellt werden. Sich zu wehren, das Thema in eine kollektive Debatte zu bringen, die Verantwortlichen und die Profiteure zu benennen und unter Druck zu setzen: Das sind die Ziele der Kampagne, die die organisierte autonomie und der Stadtteilclub reclaim Gostenhof Anfang des Jahres ins Leben gerufen haben.
Die richtigen Fragen stellen
Warum ist es selbstverständlich, dass Energiekonzernen ihre Gewinne nach wie vor garantiert werden indem sie die Preissteigerungen 1:1 weitergeben während die breite Mehrheit den Gürtel immer enger schnallen soll? Mit der Kampagne sagen wir: Wir können den Gürtel kaum mehr enger schnallen. Und wir sehen es auch nicht eine Sekunde länger ein! Wir haben keinen Bock mehr, uns aufzuarbeiten, Rechnungen hin und her zu schieben oder im Extremfall am Ende des Monats einen leeren Kühlschrank zu haben, nur um anderen ihre Profite zu sichern! Energiekonzerne machen ihre Gewinne steuerlich subventioniert mit unserem Bedürfnis, nicht zu frieren, warm zu duschen, Essen zuzubereiten, Wäsche zu waschen. Sie verdienen also schlichtweg daran, dass wir als Lohnabhängige an dem zivilisatorischen Fortschritt teilhaben wollen, den wir selbst mit unserer Hände Arbeit geschaffen haben. Ist es denn wirklich so selbstverständlich, dass Konzerne Profite mit unserer Grundversorgung machen – egal ob Immobilienkonzerne, Energiekonzerne oder sonst wer? Warum ist es denn nicht eher selbstverständlich, dass jeder Mensch eine passende Wohnung hat, heizen kann wenn es kalt ist, essen kann, wenn er Hunger hat und auch kulturell und politisch selbstbestimmt sein kann? Die Antwort lautet natürlich: Kapitalismus und das damit verbundene Primat, Konzernen ihre Möglichkeit zu sichern, Profit zu machen.
Warum die N-Ergie?
Die N-Ergie ist die Grundversorgerin in Nürnberg und hat ihren Hauptsitz auch noch in unserem Stadtteil. Im Aufsichtsrat des Konzerns sitzt gefühlt der halbe Stadtrat – mit Oberbürgermeister König (CSU) an der Spitze. Daher können wir wenn dann an dieser Stelle Druck ausüben. Die sehr konkreten Forderungen sollen den Druck zusätzlich erhöhen weil sie zum einen eine reale Verbesserung für viele Menschen darstellen würden und Teile der Forderungen immer wieder auch von Sozialverbänden erhoben werden. Somit ist die Kampagne in die verschiedenen Richtungen anschlussfähig. Keine Nachzahlungen – keine Sperrungen – Energiepreise runter! Menschen, die die Kampagne unterstützen wollten, konnten sich mit diesen Forderungen ablichten lassen. Und wir haben mit dem Thema etliche offene Türen eingerannt: Menschen erzählten von ihren Erfahrungen und Ängsten, sie erzählen von drohenden Sperrungen, den Ärger über das geschlossene Kundencenter, den Frust über massenhafte Kündigungen von kleinen Energieanbietern. Über 300 Menschen haben sich mit den Forderungen fotografieren lassen und ebenso über 300 haben an unserer kleinen Umfrage teilgenommen, in der wir sie gefragt haben, ob sie in den vergangenen 12 Monaten eine Energiepreiserhöhung hatten, ob sie Angst haben, aufgrund der steigenden Preise Einschränkungen an anderer Stelle ihres Lebens vornehmen zu müssen und letztendlich ob sie bereit wären, sich an Protesten zu beteiligen. Rund drei Monate waren AktivistInnen von der organisierten autonomie und dem Stadtteilclub reclaim Gostenhof im Viertel unterwegs, haben an Haustüren geklingelt, waren in Kneipen unterwegs, haben mit Leuten bei Infoständen geredet und die Kampagne mit einer Lärmdemo, Plakaten, Flyern und Sticker im Viertel präsent gemacht. Verschiedene Nürnberger Gruppen und Initiativen unterstützten die Kampagne: Das selbstverwaltete Jugend-und Kulturzentrum P31, das Projekt „Rosa Asyl“, das feministische Veranstaltungskollektiv Arsch und Frieda, die DKP, die Föderation migrantischer ArbeiterInnen AGIF, die Linke Liste Nürnberg, die AG Wohnen des Sozialforums Nürnberg, das Café Milch und Zucker, der Mops von Gostenhof, der AK Ohm gegen Rechts, die Antifa Aktionskneipe, die SDAJ, Ende Gelände Nürnberg und das Kneipenkollektiv Arsch&Friedrich.
Da die Menschen die sich an der Umfrage beteiligt haben nicht deckungsgleich mit denen sind, die an der Fotoprotestaktion teilgenommen haben, hatten wir geschätzt mit 400-500 Menschen Kontakt. Wir hatten Gespräche über Ängste, Ursachen der Erhöhungen, Solidarität und natürlich auch über die Versuche, die Klimakatastrophe gegen die soziale Frage auszuspielen. Vor allem Befragte, die im Kapitalismus noch besserer Lebensbedingungen vorfinden, bewerten eine Erhöhung der Energiepreise nicht durchweg negativ, wünschen sich aber häufig eine Abfederung so, dass dies nicht zu Lasten ärmerer Menschen passiert. Dort, wo das Wohlstandsversprechen des Kapitalismus schon lange gescheitert ist, ergibt sich ein sehr gemischtes Bild: einige wissen überhaupt nicht, ob sich ihre Preise erhöht haben, andere sind bereits so resigniert, dass ihnen weitere Verschlechterungen gar keine zusätzliche Sorge mehr bereiten, weil ihr Alltag schon jetzt so hart ist. Der überwiegende Teil war jedoch völlig offen und den Zielen der Kampagne sehr zugetan.
Das Ziel, mit den Menschen des Viertels über das Thema der Energiepreissteigerungen ist auf jeden Fall gelungen und auch inhaltlich konnten wir sicherlich den ein oder anderen Anstoß liefern. Die Anzahl der Befragungen und der Fotos können sich durchaus sehen lassen. Die Lokalpresse ignorierte die Kampagne leider völlig, so dass sie über das Viertel hinaus wenig Präsenz erfuhr. Das das Käseblatt Nürnberger Nachrichten seit Jahren immer weiter nach rechts rutscht und alles mögliche, was von Links kommt, eher ignoriert, ist eine Tatsache, mit der wir vor Ort umgehen müssen. Was nun auf die Sammelphase folgt, ist eine öffentlichkeitswirksame Aktion, die die Ergebnisse gut abbilden kann. Aktuelle Infos auf: https://n-ergiepreise-runter.redside.tk/ oder dem Instagram-Account des Stadtteilclubs Reclaim Gostenhof.