Teil 3.
Teil 1 und 2 findet ihr >hier<.
Wie jedes ökonomische System braucht auch der Imperialismus eine Ideologie, die seine Herrschaft begründet und rechtfertigt. Der Kapitalismus bemühte dazu den Liberalismus, der im Grundsatz die Freiheit des Einzelnen über die der Gemeinschaft setzt. Die Grundlage der Kapitalwirtschaft ist der freie Vertragspartner, der nur seinem Eigennutz verpflichtet ist. Das Wirtschaftsgeschehen wird nach dieser Auffassung allein von einer mystischen „unsichtbaren Hand“ aufs Vortrefflichste eingerichtet – alles regelt sich allein durch die Gesetze des Marktes. Dieser Markt ist der Gott des Kapitalismus. Ihm wird in allem gehorcht, ihm wird alles geopfert.
Selbstverständlich kann mit den Prämissen der Marktradikalen keine Gesellschaft aufrechterhalten werden, weshalb es verschiedene Ausprägungen des Liberalismus gibt.
Heute begegnet uns der Liberalismus in Form des sogenannten Neoliberalismus und auch dieser in mannigfaltigen Facetten. Ob linksliberal, frei-demokratisch, liberal-konservativ, marktliberal, wertkonservativ oder national-reaktionär – im Kern sind alle bürgerlichen Kräfte heute nur Spielarten des Neoliberalismus. Das gilt sowieso für die traditionellen bürgerlichen Parteien. Die FDP bekennt sich schon programmatisch zum Liberalismus und CDU/CSU sind es de facto. Witzigerweise hat in Deutschland ausgerechnet die SPD mit ihrer Agenda 2010 und den Hartz-IV-Gesetzen den entscheidenden Liberalisierungsschub ausgelöst. Selbst sich „oppositionell“ gebende Kräfte wie die AfD und die Grünen sind nur unterschiedliche Interpreten des Neoliberalismus. Die AfD positioniert sich zwar verbal gegen „Eliten“ und den „Mainstream“, ist aber durch und durch als neoliberale Partei gestartet, und wer einen Blick in das Parteiprogramm wirft, erkennt schnell, dass sie alles andere ist als der „Anwalt der kleinen Leute“: Beschneidung der Arbeitnehmerrechte, Sozialleistungen und Gewerkschaften, Privatisierung. Selbst ihr Nationalismus ist nur Standortkonkurrenz zugunsten des Kapitals. So kanalisiert die AfD die „Wutbürger“ und lenkt den Unmut in systemkonforme Bahnen.
Oft wird, nicht zuletzt für die AfD, die Bezeichnung „Faschisten“ oder „Nazis“ gebraucht. Das ist nicht nur faktisch falsch, denn beim Faschismus und beim Nationalsozialmus handelt es sich um konkrete politische Bewegungen die mit einer bestimmte politischen Programmatik verbunden sind. Die inflationäre Verwendung dieser Begriffe für alles, was „sauschlimm“ ist oder einem nicht in den Kram passt, entwertet die Begriffe und relativiert sie auf verhängnisvolle Weise. Es macht den Angegriffenen auch leicht, dem zu widersprechen. Es gibt zwar Nazis in der AfD, aber die meisten Parteimitglieder, und auch die Wähler, sind keineswegs Anhänger des Nationalsozialismus. Sie sind allerdings Neoliberale, was die Sache nicht besser macht. Es reicht also aus, sie von dieser Seite her anzugreifen, und das ist exakter als mit der „Nazikeule“ zu operieren, wie es mittlerweile jeder tut, einschließlich AfDler, Corona-Leugner und dergleichen.
Die Grünen hatten schon im Ansatz den kleinbürgerlichen Liberalismus im Gepäck, der sich vorgeblich für Pressefreiheit, Frauen- und Menschenrechte einsetzt, dessen Kern aber eben jener individualisierende Freiheitsbegriff ist, der sich so vortrefflich mit der Marktlogik deckt. Mittlerweile haben die neoliberalen Transatlantiker dort vollständig das Ruder übernommen und ihre „feministische Außenpolitik“ ist nichts weiter als der Kulturimperialismus der vergangenen deutschen Regime in verschärfter Form. „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen.“ Wie alle Bekehrten beteiligt sich die ehemalige „Parzifistenpartei“ noch fanatischer als alle anderen am Krieg – unter transatlantischen Vorgaben versteht sich. Freilich darf man nicht denken, dass Typen wie Baerbock und Habeck noch irgendwas mit den Grünen der Gründungsjahre zu tun haben. Sie repräsentieren letztlich nur ihr Klientel – das besitzende Kleinbürgertum. Eine grünlackierte FDP halt.
Die SPD mit ihrem Grüßaugust an der Spitze stolpert dem hinterher. Dieser wirft Russland gar „Imperialismus“ vor und beweist damit nur, dass er von der Materie keine Ahnung hat.
Die Partei „Die Linke“ hat ihre Chance verpasst, Opposition gegen den Krieg zu sein und wird somit bedeutungslos.
Ein ruhiges Hinterland schaffen
Dem Imperialismus geht es darum, sein System der Ausbeutung und Unterdrückung selbst in der letzten Weltgegend zu installieren. Natürlich findet das nicht überall Beifall. Selbst große Teile der Bevölkerungen in den westlichen Staaten leiden unter diesem Ausbeutersystem und stehen ihm deshalb alles andere als positiv gegenüber. Diese auf Linie zu bringen und sich ein ruhiges Hinterland zu schaffen, ist propagandistischer Auftrag der herrschenden Klasse und ihrer Helfershelfer. Dazu bedienen sie sich der erwähnten zugelassenen bürgerlichen Parteien aller Couleur als auch der kapitalistischen Medienkonzerne und öffentlich-rechtlicher Medienanstalten, die in Permanenz systemerhaltende Propaganda in die Köpfe ihrer Staatsbürger pumpen. Dabei braucht man gar keine Verschwörung verschwiegener Eliten anzunehmen. Das System selber produziert aufgrund seiner inneren Logik diesen Zustand. Ein kapitalistischer Medienkonzern produziert kapitalistische Propaganda. Alles andere wäre wunderlich. Seine Effizienz erreicht er über Marktmacht. Die Marktmacht durch die kapitalistische Tendenz zur Kapitalkonzentration (Monopolbildung). Die meisten Medien sind in Händen großer Konzerne. Es ist also gar nicht unbedingt notwendig, die Pressefreiheit zu beschneiden. Oppositionelle Stimmen werden allein durch ihre geringe Verbreitung irrelevant. Den Lohnschreiberlingen der großen Medienkonzernen braucht man gar nicht groß diktieren, welche Meinung sie zu propagieren haben. „Wessen Brot ich ess‘, dessen Lied ich sing´“. Was den Krieg angeht, fragt unisono niemand mehr nach dem „Ob“ oder „Warum“, sondern nur noch „Warum nicht schneller!“, „Warum nicht mehr!“ (siehe die „Satiresendungen“ von Staatsclowns wie Welke und Konsorten).
Wer nach anderen Lösungen sucht, nur leise Friedensverhand… andenkt, wird gnadenlos niedergebrüllt oder gar als Verschwörungstheoretiker abgekanzelt. Dabei sind es gerade die Staatsmedien die heute hinter allem eine eine putinsche Verschwörung wittern.
Besser angeblich im Namen der Menschenrechte und der LGBITQ*-Gemeinde Russland „zerstören“, „vernichten“, „in die Knie zwingen“. Das ist feministische Außenpolitik a la Baerbock, von der Leyen, Strack-Zimmermann, …
Und da sind sie voll d´accord, unsere Linksliberalen, jene Teile des Bildungsbürgertum das sich bislang als „systemkritisch“ ausgab. Nun sie sind so dankbar, dass sie endlich mal mit den Wölfen heulen dürfen, nachdem die Zeitenwende ausgerufen wurde und sie ihren naiven Pazifismus endlich ad acta legen dürfen. Endlich dürfen sie offen die „Wertkonservativen“ geben, die sie schon lange sind und ihre Jugendsünden milde belächeln. Diese Leute sind wirklich das Widerlichste, was der Opportunismus seit Langem hervor gebracht hat.
Aggressiv nach außen
Und so wie der Kapitalismus in seiner fortgeschrittensten Form als Imperialismus die ganze Welt seinen Marktgesetzen zu unterwerfen sucht, verbreitet er die ihm gemäße Ideologie. Dabei führt er immer wieder die „Verteidigung der westlichen Werte“ ins Feld, ohne diese näher als mit ein paar Plattitüden zu beschreiben. Für jeden erkenntlich setzt er dabei immer zweierlei Maß an. Die Menschenrechte, die er von anderen einfordert, hält er selber nicht im Ansatz ein. Er führt völkerrechtswidrige Kriege, unterhält weltweit Foltergefängnisse, unterdrückt Pressfreiheit und Whistleblower, seine Polizeien sind rassistisch bis ins Mark usw. usf.
Doch wie die Konquistadoren bei ihrer Eroberung Amerikas das Christentum, führt er bei seiner Expansion immer auch seine Ideologie, den westlichen Liberalismus, mit im Gepäck und verbreitet sie notfalls mit Gewalt.
Denn nicht alle sind den „westlichen Werten“ gegenüber so aufgeschlossen, wie das für eine komplette ideologische Vereinnahmung durch den Imperialismus notwendig wäre.1 Aus unterschiedlichen historischen, religiösen und politischen Gründen will ein guter Teil der Menschheit das westliche „Freedom und Democracy“-System, samt ökonomischer Unterwerfung partout nicht übernehmen.
Diese werden gegebenenfalls kurzerhand zu Schurkenstaaten ernannt und, sollte wirtschaftlicher Druck nicht fruchten, militärisch zur Raison gebracht. Dafür gibt‘s die US-Armee und ihre Verbündeten NATO-Partner. Der Krieg als Fortsetzung politökonomischer Mittel ist immer eine Option und wird auch hemmungslos eingesetzt.
Nachdem seit den 1990er Jahren die Sowjetunion als Regulativ weggefallen ist und die USA als alleiniger Hegemon übriggeblieben sind, sind den Imperialisten mittlerweile neue „Gegner“ erstanden, so dass nun das Gespenst einer „multipolaren“ Welt die Runde macht.
Nach wie vor ist Russland eine bedeutende Militärmacht, aber gerade China droht den Westen insgesamt wirtschaftlich, technisch und damit auch geopolitisch zu übertreffen. Zudem gewinnen Indien, Südafrika und auf dem lateinamerikanischen Kontinent Brasilien und Argentinien immer mehr an Bedeutung. Dies drückt sich auch in verschiedenen internationalen Bündnissen wie beispielsweise den BRICS-Staaten aus, die mehr und mehr zu einer Alternative zu einer durch den US-Imperialismus beherrschten Welt werden.
Offensichtlich sehen sich die Imperialisten derart in ihrer Hegemonie bedroht, dass sie sich genötigt sehen, die Reißleine zu ziehen. Sie setzen offen auf militärische Konfrontation gegen Russland und China. Somit ist der Krieg um die Ukraine nur als Auftakt neuer Verteilungskämpfe zu werten. Nach der Schlappe in Afghanistan und dem drohenden wirtschaftlichen Zurückfallen hinter China ist der Imperialismus einem angeschossenen Raubtier gleich gefährlicher denn je. Die Gefahr eines 3. Weltkriegs steigt mir jeder provokanten Aktion.
Im Herzen der Bestie den Klassenkampf führen
Als Karl Liebknecht zu Beginn des 1. Weltkriegs die Parole „Der Hauptfeind steht im eignen Land“ ausgab, hat er klar den Hauptwiderspruch benannt: den zwischen der herrschenden Klasse, die den Krieg produziert, und den unteren Klassen, die unter seiner Wucht zu leiden haben.
Heute, in einer globalisierten Welt, die sich derzeit absehbar in verschiedene Einflusssphären aufteilt, muss die Losung internationaler verstanden werden, denn es ist die NATO, ein multinationales Bündnis imperialistischer Staaten, die den Rest der Welt bedroht. Soviel Transformation muss die heutige Linke leisten.
Dies den BellizistInnen und angeblichen Verteidigern der „westlichen Werte“ entgegenzuhalten, dabei aber zu betonen, dass man zwar dieselbe Weltgegend bewohnt, aber klassenmäßig streng geschieden ist, muss im nächsten Atemzug genannt werden. Dass wir im „Herzen der Bestie“ wohnen, macht uns mit dieser noch lange nicht gemein. Im Gegenteil, die unteren Klassen unterliegen ebenso dem Prozess der Unterdrückung und Ausbeutung wie die Menschen weltweit. Auch wenn er sich praktisch anders ausgestaltet.
Denn den Krieg, den die herrschende Klasse führt, den bezahlen wir, die arbeitenden Menschen, die die einzige Quelle des Mehrwerts sind, der da verpulvert wird. Und wir durchleiden auch die Folgen, die durch ihre Wirtschaftskriege als auch durch ihre militärischen Aktionen verursacht werden. Das ihr Agieren zudem noch völlig idiotisch ist, sie uns mit ihren Sanktionen mindestens ebenso schaden wie dem Gegner, wenn nicht weitaus mehr, macht die Sache nicht besser. Große Teile der Menschheit leiden unter diesem Ringen um den Erhalt der Vorherrschaft über die Welt.
Es kann also keine Mitarbeit an „Lösungen“ geben, um das System zu „verbessern“, sondern nur erbitterte Opposition gegen alle Pläne der herrschenden Klasse.
Alle Lösungen für die wichtigen Themen, die die Menschheit umtreiben, seien es der Schutz der Umwelt, die Abwendung der Klimakatastrophe, das Besiegen des Hungers und der Unterentwicklung, Frieden, bescheidener Wohlstand für alle und dergleichen mehr, müssen und können nur gegen die herrschende Klasse erkämpft werden.
Das ist die einfache Wahrheit.
[1] Vgl. Prolos-Broschüre „Imperialismus und Totalität“
Der Text stammt von einem Mitglied der Gruppe Prolos aus Nürnberg.